Dienstag, 4. Mai 2010

Kurzgeschichte: Das Leben ist schön.


"Hey."
"Hallo."
Er richtete seinen Blick starr auf den Boden. Als würden seine grauen Augen den Asphalt zum Bersten bringen wollen. Nichts geschah. "Was machst du hier? Deine Mutter macht sich Sorgen!", wütete der Mann neben ihm mit verzweifeltem Unterton.
"Was soll's? Das sagst du immer. Sie ist meine Ma, natürlich macht sie sich Sorgen. Aber wie sieht's mit dir aus?", erwiderte der Junge mit zittriger Stimme. Er rieb sich kurz die Stirn, nestelte an seinem Schnürsenkel, kaute auf der Unterlippe. Die Situation war ihm sichtlich unangenehm. Nervosität drang wie ein Gift durch seinen Körper. Lange hatter er auf diesen Moment gewartet. Doch nun wusste er nichts mehr damit anzufangen.
"Junge, komm jetzt. Rede nicht so Zeug daher! Was ist los mit dir?"
Sein Haar fiel ihm wieder ins Gesicht, verdeckte ihm die Sicht. Es war egal. Wozu sehen, wenn es nichts Schönes zu sehen gab? Der Vater bemerkte, dass er so nichts erreichte. Er setzte sich neben seinen Jungen auf die Bordsteinkante, wusste jedoch nicht, wie er anfangen sollte.
Plötzlich fühlte er sich selbst wie ein kleines Kind und er wurde traurig. Er startete einen neuen Versuch. "Bitte. Sag mir bitte was mit dir ist!" Verständnis wollte er zeigen. Interesse. "Du willst es wissen? Das ist neu für mich. Nie wolltest du irgendwas von mir wissen seit Anne da ist. Ich lebe mit euch in einem Haus aber ich lebe nicht MIT euch zusammen. Sie bekommt alles und ich bekomme den Rest. Huch, welcher Rest? Stimmt ja, es bleibt nichts! Kannst du mir folgen?"
Die eisgrauen Augen hafteten am Vater. Dieser nickte nur stumm. So weit so gut.
"Hast du bemerkt was für einen Loser du als Sohn hast? Ist es dir je aufgefallen?", fuhr er fort. Der Himmel verdunkelte sich. Das Gesamtbild könnte nicht stimmiger sein.
"N-nein, also... was meinst du? Dass du hier und da Probleme in der Schule hast weiß ich doch, aber... ", murmelte der Vater betreten. "Verdammt, nein!" Die Stimme des Sohnes wurde kräftiger und laut. "Abgesehen von der Schule, meine ich! Ich habe kaum noch Freunde, keine Freundin, verschanze mich in meinem Zimmer und du weißt nichts davon. Ma sieht alldem nur mit einem müden, wehleidigen Lächeln zu. Denk nach, woran es liegt, denk bitte gut nach."
Er wurde wieder ruhig.
Er rappelte sich auf, wischte sich den staubigen Hosenboden ab und sah hinauf in den wolkenbedeckten Himmel. "Ha, niemand kann mir mehr einreden, dass das Leben schön ist. Niemand, verstanden." Er steckte die Hände in die Hosentaschen und ging einfach davon.
Der Vater blieb zurück. Keines Blickes wurde er mehr gewürdigt. Er wusste wieso.
Er wusste, was er angerichtet hatte.
Sein Herz wurde ihm schwer.

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